8. April – 17. Juni
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CASPAR SCHÄRER
SCHLAGZEILEN FÜR SCHAFFHAUSEN

Caspar Schärer (*1973) Architekt ETH/SIA, Journalist, Publizist und Dozent mit den Schwerpunkten Architektur, Städtebau und verwandten Disziplinen; seit 2017 Generalsekretär des BSA Schweiz; 2008 – 17 Redaktor bei der 1914 gegründeten Architekturzeitschrift werk, bauen + wohnen, verschiedene Publikationen und Buchbeiträge im In- und Ausland; Lehrtätigkeit seit 2010, unter anderem an der Hochschule Luzern HSLU und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, 2013 – 17 Leiter des Seminars Architekturkritik an der ETH Zürich.

facebook: caspar.schaerer
Twitter: @caschaerer
Instagram: caspar_schaerer


Schaffhausen in Schlagzeilen
Fette Schlagzeilen und Fake News in Schaffhausen? Caspar Schärer, langjähriger Architektur-Journalist, verwandelt die Kunstkästen in Kiosk-Aushänge und erzählt Geschichten aus der Sicht eines immer neugierigen Spaziergängers.

Gespräch mit Caspar Schärer, Schaffhausen, Anfang März 2018
Aufgezeichnet von Isabelle Lüthi

Während bei anderen KünstlerInnen die Werkstatt Einblick gewährt in ihr Schaffen, offenbart bei Caspar Schärer eher Facebook, was ihn umtreibt. Sein Account kann einen ganz schön reinziehen: Hier textet er über Trump und Verdichtung, gegen No Billag und über Stadtplanungsideen aus San Francisco, über schräge Begegnungen im Zug, Architektur-Slams und Leonardo Di Caprio. Bilder von seinen Stadtwanderungen, Artikel aus aller Welt zum Geschehen in aller Welt – hier ist jemand äusserst aktiv.

Vom Architekt zum Journalist
Caspar Schärer schreibt und schreibt, aber eigentlich kommt er – könnte man meinen – aus einer ganz anderen Ecke. Ursprünglich studierte er Architektur und arbeitete dann einige Zeit auf dem Beruf. Bald aber merkte er: Da schlummert noch mehr in ihm. Die Architektur gefiel ihm zwar, weniger aber das Architektendasein. Schärer, schon immer sprachaffin, entschied sich Knall auf Fall, die Ringier-Journalistenschule zu absolvieren. So wurde er zum Architektur-Journalisten des Tagesanzeigers. Seine subjektiven Texte, die stets Neues aufzeigten, aber nie belehrten, erhielten positive Resonanz. Schärer verstand sich als „Dolmetscher“ zwischen Fachpersonen, die einen ganz eigenen Wortschatz zelebrieren, und einem interessierten Laienpublikum. Später schrieb er für die Architekturzeitschrift werk, bauen + wohnen, seit April 2017 ist Schärer Generalsekretär des Bundes Schweizer Architekten (BSA). In dieser Aufgabe kommt ihm die langjährige Schreiberfahrung zugute: Schärers Fähigkeiten, komplexe Fragestellungen aufzubereiten, sollen dem BSA zu mehr Präsenz in der Öffentlichkeit verhelfen. Das Auftragsschreiben ist entsprechend in den Hintergrund gerückt und vielleicht auch das „Privileg, dafür bezahlt zu werden, immer das gleiche Thema von allen möglichen Seiten zu diskutieren“, wie es Schärer ausdrückt.

Social Media, wo sich Schärer als „Agglowanderer“ bezeichnet, sind jetzt sein Versuchsfeld, hier tobt er sich schreiberisch aus. Seine FreundInnen kommentieren und diskutieren engagiert mit; es liegt in der Natur der Sache, dass man auf Facebook schnell und direkt Rückmeldungen bekommt – und das ist Schärer wichtig. Eine gewisse Abhängigkeit von Likes kann er nicht leugnen.

Stadtchaos vs. Schlagzeile
Spannend wird sein, wie Schärer mit diesem Gegensatz umgeht, wenn er seine Arbeit in den Kunstkästen platziert. Denn: Die Kunstkästen kämpfen mit allerlei alltäglichem Stadtchaos um die Aufmerksamkeit der BetrachterInnen, die Rückmeldungen, die der Künstler da erhält, sind viel indirekter. Wie also auffallen? Genau so wie es die Boulevardblätter tun: Mit fetten, schwarzen Schlagzeilen! Diese paart Schärer mit einer kurzen Schaffhauser Stadtgeschichte aus seiner Sicht und würzt sie womöglich mit den einen oder anderen Fake News.

Caspar Schärer interessiert sich besonders für die Wege nach und von Schaffhausen. So fasziniert ihn der erste Kunstkasten mitten im Gewusel des Bahnhofs mit all seinen Wegweisern und Landkarten – ein eigentlich unsteter Ort, der ihn gleich in den Bann gezogen hat. Schärer, einige Dutzend Kilometer flussabwärts in Rheinfelden aufgewachsen, kennt den Rhein als eine Verkehrsachse und ist fast etwas überrascht, dass das in Schaffhausen viel weniger der Fall ist. Ob er den Fluss in seinen Geschichten mit Transport assoziieren wird oder nicht eher mit dem Naherholungsgebiet, das er für viele SchaffhauserInnen ist, wird sich zeigen. Es hängt wohl davon ab, wie sehr Schärer seine Velotour von Stein am Rhein nach Schaffhausen gefällt.

Böckli oder Bock?
Für SchaffhauserInnen ist es immer interessant, wie auswärtige KünstlerInnen die Stadt wahrnehmen und sie in den Kunstkästen wiedergeben. Schärer findet, dass die Gefahr, wörtlich genommen zu werden, bei einer textlichen Arbeit grösser sei als bei einem Bild, welches mehr Interpretationsspielraum lasse. Und so meint er grinsend: „Natürlich muss man dabei aufpassen, dass man nicht besserwisserisch wirkt oder jemanden vor den Kopf stösst“, nachdem er den Schaffhauser Bock über dem zweiten Kasten als „Böckli“ bezeichnet hat und die Autorin sich etwas entrüstete.

Für Schärer sollte das aber keine allzu grosse Herausforderung sein. Denn der Architekt in ihm versteht den Ort, der Journalist, was das Gegenüber lesen will. Schreiben und Architektur sind schlussendlich beide empathische Prozesse, wo es darum geht, sich in die Umgebung hineinzuversetzen. Sie sind eigentlich gar nicht so verschieden.

VERNISSAGE

Alle Bilder: Martin Ulmer

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